Donnerstag, 30. April 2015

5) Requiem

Rest in Peace Keltologie Wien


Heute ist der 30. April 2015, DAS Datum, auf das wir seit langer Zeit warten. 

In Ehrfurcht, in Trauer, in Verbittertheit. Die Deadline, die uns das Schrecken lehrte.
Jetzt ist alles aus. 
Wer es bis heute nicht geschafft hat, sein individuelles Diplomstudium Keltologie abzuschließen, wird das auch in Zukunft nicht mehr tun können. 

Am 5. November 2009 haben wir zwar demonstriert aber da war alles schon zu spät, das Schiff am Sinken. 
Remember, remember, the 5th of November:
Das Flehen um "Artenschutz auch auf der Uni" wurde nicht erhört.
Die Frage "Kann denn Bildung Sünde sein?" wurde im Klartext mit "JA!" beantwortet.


Die Uni predigt zwar Interdisziplinarität und Fortschritt, doch das gilt offensichtlich nur für Studien, die das Wort "Wirtschaft" im Namen haben oder Geld scheißen. 
Wir, die wir Interdisziplinarität gelebt und gelehrt bekommen haben, mussten lernen, dass dieses Konzept nur gut aussieht und sich gut anhört, wenn man es NICHT betreibt.

Die Wahrheit sieht eher aus wie im Kindergarten, wo man sich mit Spielklötzen gegenseitig die Schädel einschlägt und die Größe seiner Matchbox-Autos vergleicht.
Für mich fühlten sich 8 Jahre Keltologie im Uni-Kindergarten ungefährt so an:

Das kleine Außenseiterkind Keltologie will mit den anderen Kindern spielen.
Die Sprachwissenschaftler-Kinder lachen es aus und schimpfen: "Keltologen kennen nur die keltischen Sprachen und deren Sprachwissenschaft und -politik, aber wir kennen alle anderen Indogermanischen und nicht-indogermanischen Sprachen!"
Die Archäologie-Kinder besetzen den Sandkasten und bewerfen die Keltologie mit Scherben und Sand: "Die blöden Keltologen kennen nur die keltische Archäologie, nur Hallstadt- und La Tène Kultur der Eisenzeit. Aber wir kennen die gesamte Ur- und Frühgeschichte."

Also spielt die Keltologie wieder einmal alleine. Sie liest in Mittelalterlichen Manuskripten genauso gerne wie antike gallische Inschriften, schmückt sich hübsch mit La Tène Fibeln und übersetzt komische Dinge, die in Scherben eingeritzt sind, mit welchen die archäologie-Kinder nix anfangen können. Nebenbei macht sich das Außenseiter-Kind auch noch Gedanken über die soziopolitische Stellung der keltischen Minderheitensprachen und kann auf mindestens 5 davon freundlich grüßen und über das Wetter philosophieren, während es in literarischen Zeugnissen antiker Autoren über Kelten liest.

Aber wer braucht schon Alleskönner und vielschichtig Interessierte, wenn er eine breite Masse an Wissenschaftlern heranzüchten kann, die alle das Gleiche wissen und können. 


In meiner wenig glorreichen Zeit als Studienrichtungsvertretung habe ich meine Ladung an "Game of Thrones" an der Uni abbekommen und bin zum Glück lebend ausgestiegen. 
Nachdem man unser IDS abgeschafft hatte, war leider kein freier Platz mehr für ein Bachelor-Studium Keltologie. Ebensowenig für die Indogermanistik. Also hatte jemand den preiswerten Einfall, beide eigenständige, mindestens 8 Semester Studien zusammen in ein 4 Semester Master-Studium zu packen. Dort sollte man im ersten Jahr die sprachwissenschaftlichen Grundlagen lernen, und sich im zweiten Jahr dann auf Indogermanistik oder Keltologie spezialiseren. Theoretisch dürfte man sich nach erfolgreichem Abschluss dann Master nennen, aber was weiß man eigentlich genau? 
Basics. 
Mehr nicht. 
Aber gut, man nimmt verzweifelt, was man kriegen kann und klammert sich an diesen Strohhalm, auch wenn er noch so dünn ist.
Uns wurde versprochen, dass sich Studenten mit abgeschlossenem Bachelor in einem "artverwandten" Fach dann für diesen Master inskribieren können. "Artverwandt" heißt, theoretisch dürften auch BAs in Ur- und Frühgeschichte, Alter Geschichte, Sprachwissenschaft, einem kulturwissenschaftlichem Studium oder dergleichen den Master Indogermanistik und Keltologie studieren. "Artverwandt" ist irgendwie ein dehnbarer Begriff. Interessenten wollen wir nicht wegschicken, und wir versuchen alle hinein zu bekommen. Kann ja nicht so schwer sein.

In der Praxis sah das Ganze dann so aus:
Studentin X, mit abgeschlossenem Kunstgeschichte Bachelor würde gerne in den Master Keltologie. Wir schicken sie zum Studienprogrammleiter, der das absegnen sollte. Dieser ist jedoch der Meinung, dass Frau X besser in der Archäologie aufgehoben ist, und rät ihr zu einem Bachelor auf der Ur- und Frühgeschichte, bevor sie sich den Master zutrauen sollte. 

Ein Jahr später, von Frau X haben wir nie wieder etwas gehört, wird der Master abgeschafft. 
Weil: keine Studenten. 
In einem Gespräch mit dem Studienprogrammleiter erfahren wir, dass alle Interessenten, welche keinen sprachwissenschaftlichen Hintergrund hatten, abgelehnt wurden und im besten Fall dazu veranlasst wurden einen Bachelor in Sprachwissenschaft zu machen, denn NUR mit sprachwissenschaftlichem Vorwissen wäre man gewappnet genug für den Master. 

Studentin X wurde also absichtlich in einen Bachelor geschick, der ihr nach erfolgreichem Abschluss erstrecht keinen Platz im Master verschafft hätte. 
Und wer weiß, wie viele arme Studis auf der Sprachwissenschaft 3 Jahre für einen Bachelor lernen, den sie nur machen müssen, weil der SPL es gesagt hat. Und der Master, für den sie das alles machen, wird nach einem Drittel der Zeit einfach zugedreht. 
BRAVO!

Wer bis zu diesem Zeitpunkt das sinkende Schiff noch nicht verlassen hat, hat spätestens jetzt darüber nachzudenken begonnen. 

Die guten Leute verlassen die Uni Wien, so sieht es leider aus. 
Nebenbei bemerkt: Unser ehemaliger Assistenzprofessor David Stifter, hat vor ein paar Wochen übrigens einen 1,8 Mio € Preis für sein Forschungsprojekt an der Uni Maynooth gewonnen, wo er mittlerweile lehrt. 

HIER gehts zum Zeitungsartikel.

Preis, Prestige, Lob und Zeitungsartikel könnten DIR gehören Uni Wien.

Aber wir sind dann mal weg.

Du hast es verkackt, liebe Uni. 

Shrew you!
Erzblume.

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