Sonntag, 14. Juni 2015

7) Vatertags-Special!

"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr!"


Ich möchte meinen heutigen Post dafür nutzen, ein ziemlich heikles Thema zu behandeln. Ich mache das aus mehreren Gründen:
  • zum einen wegen der therapeutischen Wirkung: Es tut mir gut, Dinge aufzuschreiben, die mich aufregen.
  • zum anderen möchte ich der Welt da draußen zeigen, mit welcher Art "Vorurteilen" man als StudentIn zu kämpfen hat. Noch schlimmer, wenn diese sogar aus der eigenen Familie kommen.
  • und weil ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, der es so ergeht. Aber man spricht anscheinend nicht öffentlich über so etwas. Studieren ist schon schwer genug, da braucht man nicht auch noch einzelne Leute in der Familie, die einem alles noch zusätzlich erschweren.

Dieser Post richtet sich an alle Alimente beziehenden StudentInnen und an alle Eltern, die sich vielleicht schwer tun sich in die Lage solcher zu versetzen.

Zu Beginn sei noch angemerkt, dass mir natürlich klar ist, dass nicht alle Väter dieser Welt geizige Egoisten sind, die ihre studierenden Kinder als finanzielle Belastung ansehen.
Mir ist auch klar, dass es (wie überall) durchaus Schmarotzer gibt, die nur alibihalber an der Uni inskribiert sind und sich statt in die Vorlesungen zu gehen, eine feine Zeit im Caféhaus machen.
Aber es gibt auch viele Kinder da draußen, die sich von ihren geschiedenen und unterhaltspflichtigen Elternteilen auf der Nase herumtanzen lassen. Sie nehmen das Bisschen was sie kriegen und empfinden es als zu viel Aufwand dagegen aufzubegehren. Vielleicht wollen sie die "gute" Beziehung nicht aufs Spiel setzen...

Heute fasse ich den Mut und verfasse eine Art Rechtfertigung meiner fast 8 Jahre Studium und versuche alle Dinge, die mir in den letzten Jahren von väterlicher Seite und dessen Anwälten vorgeworfen wurden zu diskutieren, begründen und erklären.
Jede Geschichte hat zwei Seiten. Hier werde ich meine Sicht der Dinge behandeln, das ist klar. 
Zum Glück hat sich aber auch die andere Seite dieser Geschichte die Mühe gemacht, ihre Sicht der Dinge schriftlich festzuhalten und mir per e-mail oder Post zukommen zu lassen. Auszüge davon werden hier gleich rücksichts- und schamlos veröffentlicht.

Wir schreiben den 28.01.2015


Wie bereits bekannt, hatte ich Anfang Dezember mit meiner Diplomarbeit begonnen und wusste, dass die Deadline der Abgabe Ende Februar ist. 2/3 meiner Arbeit waren also schon fertig und ich war guter Dinge, alles fristgerecht fertigstellen zu können. Mein Betreuer war zufrieden und ich kam zügig voran, dank völliger sozialer Deprivation.
Als diplomarbeitschreibendes nervliches Wrack erhielt ich also den finalen Brief:




Ja, ich bin volljährig. nein, ich bin immer noch nicht selbsterhaltungsfähig. Und zum Zeitpunkt des Verfassens und Erhaltens dieses Schreibens habe ich sogar schon mehr als 7 Jahre studiert! Und ja, die Mindeststudiendauer habe ich deutlich überschritten. 
Aber wieso eigentlich?

Nun, wie bereits erwähnt habe ich neben dem Studium gearbeitet. Das bedeutet, dass man an den Tagen in der Woche, an denen man Geld verdient, NICHT auf die Uni gehen kann. Wenn jetzt eine Lehrveranstaltung an seinen Arbeitstagen angeboten wird, hat man Pech gehabt und kann nicht hingehen, was bei Seminaren usw. mit Anwesenheitspflicht dann halt doch ein kleines Problem ist.
Manchmal passiert es auch, dass man mehr arbeitet als ausgemacht. Und ganz ehrlich, wenn man mich vor die Wahl stellt: Geld oder Uni, nehme ich das Geld. Mit meinen bereits vorgerechneten 700€ Budget im Monat bleibt am Ende von selbigem nichts über. Als StudentIn freut man sich tierisch über dumme 100€ mehr am Konto.

Der Spruch "Ich war jung und brauchte das Geld!" hat schon seine Berechtigung.


Wenn das Studium dann zusätzlich abgeschafft wird und sich einige der Lehrveranstaltungsleiter verständlicherweise ins Ausland vertschüssen, minimiert sich das Angebot zusätzlich. Wenn man schon fast alles für seinen Studienabschnitt fertig hat, und nur noch auf einige spezielle Vorlesungen warten muss, die nur alle heiligen Zeiten angeboten werden, kanns auch mal passieren, dass man auf diese ein paar Semester lang warten muss.

Gleiches gilt für Exkursionen. Uns wurden 20 Exkursionstage vorgeschrieben, davon mindestens 14 im Ausland. Das Angebot ist bei sowas immer geringer als die Nachfrage. Seltsamerweise kosten solche Exkursionen, vor allem wenn sie ins Ausland gehen auch Geld. Wo wir wieder beim Thema wären. Dann arbeitet man mehr, spart vor sich hin und wünscht sich den Rest zum Geburtstag oder zu Weihnachten... Während es für viele normale Menschen total selbstverständlich ist, im Sommer 2 Wochen auf Urlaub zu fahren, im Winter Schifahren zu gehen und zwischendurch das ein oder andere Wochenende in der Therme oder im Wellnesshotel zu verbringen, ist so etwas für mich ein exquisites und vor allem imaginäres Luxuserlebnis.
Exkursionen sind übrigens KEIN Urlaub, sondern eine besonders schöne Form von geballter Informationsaufnahme, durch die Gegend hetzen und Fotos und Notizen machen.

Ich bin also bereits selbsterhaltungsfähig...
Nein.


Weiter im Text. Ich hatte 8 Monate Zeit, mein Studium abzuschließen.
Entschuldigung, aber ich wusste nicht, dass mir mein Vater eine imaginäre Deadline zur Beendigung meines Studiums stellen kann, von der ich offensichtlich nichts weiß.
In besagten 8 Monaten habe ich nämlich ALLES daran gesetzt mein Studium abschließen zu können. Prüfungen gemacht, Noten eingeholt, bürokratische Labyrinthe durchschritten. Recherche betrieben und 2/3 meiner Diplomarbeit geschrieben.
Seit geraumer Zeit spreche ich von DER Deadline, dem 30.April 2015.
Mit DIESEM Datum gibt es mein Studium plötzlich nicht mehr, und ich muss sowieso bis dahin fertig sein, sonst hab ich Pech gehabt: kein Titel, kein abgeschlossenes Studium. Nach diesem Datum habe ich mich gerichtet und das auch oft genug artikuliert.
Wieso also dieser Stress? Verfluchte 3 Monate bevor sowieso alles beendet ist?

Wenn ich es bis zum 30. April 2015 nicht geschafft hätte mein Studium abzuschließen, hätte solch ein Brief durchaus Sinn gemacht. Dann hätte er zetern können und vermutlich auch Recht gehabt. Dann wäre ich eindeutig eine Schmarotzerin und erfolglose Bummelstudentin gewesen.
Aber ich habe am 27. Februar meine Diplomarbeit abgegeben und am 14. April mein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen.
VOR der Deadline.
10 Wochen nach Erhalt des Briefes. Wieso also wegen 10 Wochen einen Aufstand machen, wenn man bereits seit 10 Jahren vergebens versucht seine Unterhaltspflicht loszuwerden?




Jetzt habe ich Luxusgöre auch noch eine eigene Wohnung. Und einen Lebensgefährten. 
Lieber Vater, wie du uns selbst in den letzten Jahren äußerst anschaulich vorgelebt hast, macht ein Lebensgefährte (oder in deinem Fall eine Lebensgefährtin) die Sache mit den Finanzen deutlich einfacher.
Geteiltes Leid ist halbes Leid, vor allem wenn es um Miete und Betriebskosten geht.

Zusätzlich ist da auch noch das andere L-Wort, nämlich die Liebe. Und ja, ich liebe meinen Lebensgefährten über alle Maße, liebe das Zusammenleben mit ihm und unseren Katzen, und unsere gemeinsamen Interessen. Die Sache mit dem Geld ist da ein angenehmer Nebeneffekt und nicht der primäre Grund für meine Beziehung mit ihm. 
Könnte einem auch zu Denken geben…

Ich weiß zwar nicht was "standesgemäße Lebensbedürfnisse" sind, aber diese sind mit meiner 70m2 Gemeindewohnung (danke, liebe Urli für die "Übergabe"!), die uns im Monat 430€ Miete und mit allen Nebenkosten insgesamt knapp 600€ kostet vermutlich gedeckt.
Ich rechne das jetzt mal waghalsig vor: 

600€ / 2 = 300€


Wir legen also einen äußerst verwerflichen, verschwenderischen Standard an den Tag. 300€ pro Person für die Wohnung im Monat = Luxus!
Zusätzlich verwöhnen wir uns mit einem satten Einkaufsbudget von insgesamt 200€ im Monat. Damit kaufen wir alle Lebens-, Haushalts- und Putzmittel. Und Katzenfutter.
Ich will ja nix sagen, aber es soll Leute geben, die dieses Budget in einem einzigen Einkauf für ein einziges Wochenende rauspfeffern.
Wir gehen nicht Essen. Nicht Frühstücken oder Brunchen, keine romantische Pizzeria am Freitagabend. Wenn es doch passieren sollte, dass man uns einmal bei so etwas ertappt, ist das eine zu begrüßende Ausnahme.
Fazit: In einem Studentenheim würde mich ein Doppelzimmer auch nicht billiger kommen.



Zum mangelnden Studienerfolg: kein Kommentar.
Nur ein Diagramm mit meinen Noten des gesamten Studiums. 



Nicht im Diagramm eingerechnet: der 1er auf die Diplomarbeit und die zwei 1er auf die beiden Diplomprüfungsfragen.
Der einzige 5er hier war meine erste Latein-Ergänzungsprüfung, die ich wiederholt und dann mit einem 3er abgeschlossen habe.



Ganz ehrlich, als ich diesen Satz gelesen habe, stiegen mir Tränen der Wut in die Augen und ich wusste nicht, ob ich lachen oder schreien sollte. Knoten im Hals.
Ich weiß zwar nicht, in welchem Paralleluniversum ein frisch renoviertes und ausgebautes Bauernhaus mit Garten und Pool als einfache Lebensverhältnisse gelten, aber wenn du mir auf meine nicht renovierte Gemeindewohnung neidisch bist, können wir gerne tauschen. 
Mein Waschbecken ist halt noch aus den 60er Jahren und hat ein paar Risse, vielleicht nimmst du dir lieber dein Milchglas-Waschbecken von daheim mit, das man nach dem Händewaschen mit Kleenex-Tüchern auswischen muss, um Kalkflecken zu vermeiden.

In einem kurzen Wortwechsel per e-mail seitens meines Anwalts mit seinem Anwalt, in dem die "einfachen" Lebensverhältnisse in Frage gestellt wurden, kam die Antwort: 
"Mein Mandant besitzt nicht einmal ein eigenes Kfz."

Ich will hier nur anmerken, dass ich mit 27 noch nicht einmal einen FÜHRERSCHEIN habe. Vom Kfz ganz abgesehen.
Und dass seine Lebensgefährtin durchaus ein hübsches Auto hat, mit dem beide brav durch die Gegend fahren können, wird natürlich auch nicht erwähnt.

Also wenn die Lebensverhältnisse des Antragstellers als einfach einzustufen sind, wie sind dann meine einzustufen? 

EINFACHERERERER.




Durchs Arbeiten verzögert sich das Studium. Wenn man nicht mehr in Mindeststudienzeit ist, wird einem die Familienbeihilfe gestrichen. Wenn man das Glück hatte auch noch Studienbeihilfe zu bekommen, ist diese auch weg. Dann fehlt einem Geld - was macht man da?
RICHTIG: mehr arbeiten.
Was für ein schöner Teufelskreis.
Als ich übrigens den ersten Studienabschnitt fertig hatte und mit dem zweiten wieder in Mindeststudienzeit war und somit wieder Berechtigung auf Familienbeihilfe hatte, war ich bereits 24. Leute über 24 bekommen sowieso nix mehr.
Ich habe dem Staat also beim Sparen geholfen, ich braves Mädchen.




Ich habe offenbar zu viel gearbeitet. Warum eigentlich? 
Ach, da war ja was. Fehlende Alimente und so. Und wenn sie dann kommen, reichen sie trotzdem nicht aus, um irgendwas damit anfangen zu können.
Der selbe Mensch, der mich dazu veranlasst hat neben dem Studium arbeiten zu gehen weil er nicht zahlen konnte, hat gleichzeitig immer versucht seiner Alimentationspflicht zu entkommen wenn er wusste dass ich arbeite. Und der hält mir jetzt vor, dass ich zu viel gearbeitet habe und deswegen zu lange studiert habe.

Ich bin offenbar auch anderen Dingen nachgegangen. Ja, man nennt sie auch Hobbies. Und ich nehme mir die Frechheit heraus, solche zu haben. Allerdings haben Hobbies und Studium eher von einander profitiert als sich gegenseitig aufgehalten.

Weil mir zuzumuten war eine Vollzeit-Arbeitsstelle anzutreten, bin ich selbsterhaltungsfähig… Da bleibt mir ja die Spucke weg.
Mir wäre vielleicht auch zuzumuten gewesen mich zu prostituieren, drogenabhängig zu werden, oder eine Alkoholikerin. Oder zu heiraten und Kinder zu kriegen. Man könnte mir auch zumuten eine Undercover FBI-Agentin zu sein…
Soll ich jezt auch Dinge aufzählen, die ich ihm zumuten könnte?
Na, war mir auch zuzumuten, dass ich solche Blogeinträge schreibe und meine Wut in die Welt hinaus kotze…?
ZUMUTEN bedeutet GARNICHTS!

Ich will hier eines klarstellen:
Wenn ich schneller studieren hätte können, hätte ich es getan. Wenn ich früher fertig werden hätte können, hätte ich das sehr begrüßt. Wenn ich bereits einen Vollzeit-Job hätte, mit dem ich ein dafür durchschnittliches Gehalt bekommen würde, bräuchte ich diesen Beitrag nicht zu verfassen.
Ich bin nicht die letzten acht Jahre herumgesessen und habe mir ins Fäustchen gelacht, weil ich meinen Vater ausnehmen konnte. Wie gesagt, mit 300€ oder 400€ wird man nicht reich und ist keine verwöhnte Göre, die sich Marken-Handtäschchen und Schühchen kaufen kann.
Ich habe es nicht lustig gefunden, mit so wenig auskommen zu müssen, und wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte meinen Vater, meine Mutter und meinen Stiefvater von ihrer finanziellen Last zu befreien, hätte ich das auch getan. Ich habe nicht nur einmal darüber nachgedacht alles hinzuwerfen und abzubrechen.

Man verscheißt nicht zum Spaß acht Jahre auf der Uni, einfach weil man ein bösartiges Kind ist.


Ich hätte bei Gott in den letzten acht Jahren weitaus andere Dinge tun können, aber ich habe mich für das Studieren entschieden.
Ich wollte ein Teil der (manchmal mehr und manchmal weniger) intellektuellen Akademikerschicht sein, weil meine Eltern sich ihr Leben lang dafür abgerackert haben, mir ein Studium zu ermöglichen, weil es ihnen selbst versagt war. Ich wollte es mir selber und allen beweisen. Ich wollte, dass man stolz auf mich ist, dass mein Erfolg auch der Erfolg der ganzen Familie ist.

Diese Wünsche wurden durch folgende Aussage auf den ersten Blick erfüllt: 
"Ich liebe dich, und ich bin so stolz auf dich, dass du Keltologie studierst! Wir haben ja keltische Vorfahren und es ist schön, dass du den väterlichen Weg gehst."
Als mir das Ende 2013 so vorgetragen wurde, verfiel ich primär in eine spontane Schockstarre und konnte gar nicht reagieren.

Heute möchte ich dazu gerne folgendes sagen: "Ich liebe dich, und ich bin so stolz auf dich."- kann ich nicht mehr ernst oder gar annehmen. 
Klingt falsch. 
Ist falsch. 
Oder wie erklären sich sonst so stilvolle Briefe per Anwalt, 3 Monate vor erfolgreichem Studienabschluss, auf den man als Vater ja eigentlich stolz sein sollte?
Unsere keltischen Vorfahren entlocken mir höchstens ein verzweifeltes Seufzen und Stirnrunzeln.
Und der väterliche Weg... ich gehe ja viele Wege, aber ganz sicher nicht "den väterlichen". Ich weiß zwar nicht, aus welcher Wahnvorstellung heraus solch eine Ansicht entspringt, aber ich fühle das dringende Bedürfnis mich zu übergeben.

Ich gehe MEINEN Weg, herzlichen Dank.


Auf MEINEM Weg habe ich auch sehr viel Unterstützung erfahren, emotional und materiell gleichermaßen. Menschen die ich liebe, und die mich lieben haben mich begleitet und tun das immer noch. Gemeinsam räumen wir Steine aus dem Weg und bringen einander weiter.
Vom väterlichen Weg wurden höchstens Steine auf meinen Weg geschmissen. 
Danke dafür, hat mich auch stärker gemacht.
Aber egal ob keltische Vorfahren oder nicht (NICHT.), mein Vater braucht keinen auch nur irgendwie gearteten Stolz für meine Verdienste entwickeln, oder meine Erfolge auf seine bedingungslose (?!) Unterstützung zurückführen. Sein Beitrag für mein erfolgreiches Studium waren 300€ im Monat, und nicht einmal die hat er mir freiwillig oder gar als selbstverständlich überwiesen.

Wie viel Zeit, Liebe, Unterstützung, Nerven und Geld meine Mutter und mein Stiefvater, und alle anderen Familienmitglieder mir in den letzten Jahren entgegen gebracht haben, kann man weder in Worte noch in Zahlen fassen.

DANKE euch allen, ICH LIEBE EUCH!


Wie heißt es so schön: "Von nix kommt nix."
Und: "Gut Ding braucht Weile."
Ich bin jetzt eine Magistra. Hat ein bisschen länger gedauert als geplant.
Hätte aber auch beschissener laufen können.

Shrew you!

Erzblume.

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